Montag, 15. Dezember 2014

Das wohlgehütete Geheimnis der diagonalen Hilfen - Teil 1

Angefangen haben meine Überlegungen, als meine Freundin beim Trainerschein war und die Frage, ob sie beim Unterrichten dort "außen nachgeben", oder "innen nie nachgeben" etc. sagen darf, mit einem klaren "Nein" beantwortet wurde.

Was aber ist denn ein Halten der inneren Anlehnung und ein Nachgeben des äußeren Zügels, wenn nicht Bestandteil einer Parade und somit ein nicht unwesentlicher Teil der diagonalen Hilfengebung?

Natürlich bin ich gleich in der nächsten Reitstunde noch mal zu meinem Reitlehrer gedackelt und habe ihn dazu befragt. Anschließend ;) habe ich zufälligerweise zwei Interviews zu dem Thema "Parade" und "Diagonale Hilfen" in den Dressur Studien von ihm entdeckt. Diese fielen mir in die Hand, weil ich in einschlägiger Reitliteratur zu dem Thema gestöbert habe. Und mich schwer wunderte! Ich habe doch tatsächlich keine einzige zufriedenstellende Definition oder Anleitung gefunden! Teilweise fiel der Begriff "diagonale Hilfen" nicht einmal.

Natürlich habe ich jetzt nicht sämtliche Bücher daraufhin von vorn bis hinten durchgelesen, aber ich meine doch, ein Reitbuch gilt als Nachschlagewerk und somit sollte gerade so ein zentrales Thema über das Inhaltsverzeichnis oder das Stichwortverzeichnis zu finden sein. Gemein hatten alle die klassischen Aussagen zur halben und ganzen Parade, Kombination von treibenden und verhaltenen Hilfen, dass die Hand niemals rückwärts einwirken darf, welche Einwirkungsweisen der Hand es gibt, etc.

Fangen wir mal mit der Meinung meines Reitlehrers, und somit der mir gelehrten, an, um uns dann die Aussagen anderer genauer anzusehen:

"[...]  Es beginnt mit dem treibenden Schenkel und Kreuz, zeitgleich ein leichtes Nachgeben der äußeren Hand, dann das Schließen der Hand, sofort gefolgt von einem erneuten Nachgeben der Hand, einem lockern des Zügelgriffes. [...]"

"[...] Der gleichseitige Zügel wirkt auf den gleichseitign Hinterfuß. Da der Hinterfuß den kürzeren, höheren Bogen beschreiben muss, also vermehrt versammelt wird, würde ich bei einer Parade am inneren Zügel die Aktion dieses inneren Hinterfußes erschweren und gegen ihn arbeiten. [...]"

Eberhard Weiß, Dressur Studien 01/11, S. 87

Finde ich sehr logisch erklärt, für den Reiter auch zur Umsetzung nahe gebracht. Nun wollen wir uns mal anschauen, was andere Koryphäen dazu schreiben. 

Selbstverständlich fange ich mit der Reitvorschrift H.Dv. 12 an. Ich habe leider nur die Ausgabe von 1937, aber das soll uns nicht weiter stören.
Unter dem Stichwort "Hilfen, allgemeines" findet man auf Seite 41 lediglich eine Anleitung, wie man die Zügel zu halten habe.
Optimistisch hatte mich erst einmal gestimmt, dass bei den Schlagworten die "Parade" ganze 5 x aufzufinden ist. Verstecken tut sich dahinter allerdings wenig hilfreiches: Eine Definition der halben und ganzen Paraden, an zweiter Stelle kommen wir der Sache vermeintlich näher:

"Bei den halben Paraden nimmt der Reiter die Zügel an, gleichsam als ob er das Pferd zum stehen bringen wollte, setzt jedoch die treibenden Hilfen fort. Häufig genügt schon eine durchhaltende Zügelhilfe bei gleichzeitigem Anziehen des Kreuzes"

Reitvorschrift H.Dv. 12, 18.08.1937, S.63

Die letzten drei Verweise sind zu vernachlässigen.

Ähnlich hilfreich sind die Ausführungen der Richtlinien für Reiten und Fahren aus Band 1, die sich ja die Grundausbildung für Reiter und Pferd auf die Fahnen geschrieben hat. Die Ausführung einer halben Parade wird folgendermaßen beschrieben:

"In Verbindung mit einer belastenden Gewichtshilfe durch vermehrtes Kreuzanspannen und einer treibenden Schenkelhilfe gibt der Reiter eine wohlbemessene, annehmende oder durchhaltende Zügelhilfe, jeweils gefolgt von einem rechtzeitigen Nachgeben."

"Werden bei halben Paraden die Zügelhilfen an einem Zügel gegeben, dann muss der andere Zügel ruhig gehalten werden, damit das Gebiss nicht in riegelnder Art durchs Maul gezogen wird."

"Der oft zu hörende Audruck "halbe Paraden am linken bzw. rechten oder äußeren Zügel" ist irreführend, da man meinen könnte, die halbe Parade erschöpfe sich lediglich in einem Annehmen des betreffenden Zügels."

Richtlinien Band 1, S. 104 ff

 Aha! Hilfreich bei der Umsetzung ists zwar eigentlich auch nicht, aber im mittleren Zitat lesen wir zumindest schon mal heraus, dass der andere Zügel ruhig gehalten wird und eine stete Anlehnung halten soll. Im folgenden Zitat ist dann ausschließlich vom äußeren Zügel und nicht vom inneren Zügel die Rede. Da sich der Autor aber die Mühe gemacht hat, davor von rechts und links zu schreiben, glaube ich nicht, dass er das "innen" einfach vergessen hat oder für überflüssig gehalten hatte. Ich glaube tatsächlich, darin verstecken sich die diagonalen Hilfen! Sehr verzwickt. Jedenfalls: Kombiniert man erstes und letztes Zitat, dann ergibt sich doch tatsächlich ein Nachgeben des äußeren Zügels! Ha!

Puh, ich habe noch fünf Bücher hier liegen. Ich glaube, ich teile das Ganze in zwei Artikel und ziehe hier einen Schlussstrich. Als nächstes kommen Klassiker wie der Müseler oder Waldemar Seunig.

Eure
Alexa

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