Es handelt sich um Michael Putz und das Buch "Reiten mit Verstand und Gefühl".
Das gut gegliederte Inhaltsverzeichnis entschädigt für das fehlende Stichwortverzeichnis, und ich gelange durch die klare Aufteilung der einzelnen Hilfenbestandteile inkl. des anschließenden Punktes "Zusammenwirken der Hilfen" sehr schnell an mein Ziel.
Das war es dann aber schon leider mit der Klarheit. Ich weiß leider immer noch nicht genau, was er unter den diagonalen Hilfen versteht, obwohl er eine Definition davon in seinem Buch abdruckt:
"Die diagonale Hilfengebung [...] versteht man, dass mit dem jeweils inneren Schenkel in Richtung des äußeren Zügels getrieben werden soll, besonders wenn das Pferd mit Stellung und/oder Biegung gehen soll [...]".
Michael Putz, Reiten mit Verstand und Gefühl, S. 30
Aber was macht der äußere Zügel währenddessen? Das findet man, wie ich das verstehe, auf der Seite davor:
"Die verwahrende Zügelhilfe ist bei jedem Stellen oder Biegen das Gegenüber zum inneren Schenkel und zum annehmenden oder seitwärtsweisenden (Stellung gebenden) inneren Zügel."
Michael Putz, Reiten mit Verstand und Gefühl, S.29
Was bedeutet das also jetzt genau? Meines Erachtens nach doch wohl, dass anscheinend DOCH am inneren Zügel die annehmende Hilfe gegeben wird - also quasi der "zügelbezogene" Teil der Parade.
Und was ist dann dabei diagonal?
Beziehungsweise - anders gefragt, der Autor würde an dieser Stelle wahrscheinlich sagen "Na, das Herantreiben an den äußeren, verwahrenden Zügel" - was wäre dann die gleichseitige Hilfe nach so einer Definition? Die gibt´s ja auch noch! Hm, diese Frage wird wohl unbeantwortet bleiben...
An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Exkurs machen. Ich habe mir bei meinen Recherchen auch Udo Bürger zur Hand genommen, leider auch hier keine befriedigende Definition gefunden. Allerdings eine sehr, sehr schöne andere Beschreibung, wie mit dem äußeren Zügel umgegangen werden soll:
"[...] geht die linke Hand (Anm.: äußere) etwa zwei Zentimeter vor, die rechte geht aber nicht aktiv zurück, sondern bewahrt unverändert Anlehnung. [...] dehnt sich der Hals in die vorgehende Hand, biegt in der rechten Ganasche ab und das Pferd wendet auf einen rechten Kreisbogen."
Udo Bürger, Vollendete Reitkunst, S. 187
und dann noch sehr schön ergänzend
"So lernt der Jungreiter mit der nachgebenden Zügelhilfe Wendungen reiten [...]"
Udo Bürger, Vollendete Reitkunst, S. 187
Toll ausgedrückt! Und außerhalb des Reitunterrichts erstmalig so klar gefunden!
Widmen wir uns als vorletztes (bald ist´s geschafft) dem guten alten Müseler. Da finde ich es verwirrend, dass er von gleichseitigen (mit beiden Zügeln gleichzeitig) und einseitigen Zügeleinwirkungen (ZE) spricht. Die gleichseitigen ZE definiert er mit "Nachgeben, Annehmen oder Aushalten mit beiden Zügeln" - u.a. nutzt er sie bei Paraden. Das werden wir uns gleich noch mal genauer anschauen. An dieser Stelle bin ich nur verdutzt, da es ja gemeinhin heißt, gerade bei einfach gebrochene Gebisse kommt der Nussknackereffekt bei gleichzeitigem ZE zu tragen - wieso nutzt er ihn dann geplant?
Nun denn, der einseitige ZE wird benötigt beim Reiten in Stellung, bei jeder Wendung und beim Galoppieren. Für mich eine seltsame Definition, aber wer bin ich, den Müseler in Frage stellen zu wollen ;)
Schauen wir lieber mal auf die Seite 90, da schreibt er nämlich gezielt über die Paraden:
"Anreiten, Antraben und Parieren sollen genau in der Bewegungsrichtung geradeaus vor sich gehen. Beide Schenkel und beide Zügel wirken dementsprechend gleichmäßig. Wirkt nur ein Schenkel oder ein Zügel anders als der andere, würde eine Schiefe entstehen, ein Abweichen von der Geradeausrichtung die Folge sein."
Wilhelm Müseler, Reitlehre, S. 91
Er relativiert das etwa, indem er noch nachsetzt:
"Umgekehrt kann eventuell ein stärkerer Druck des einen oder anderen Zügels oder Schenkels notwendig sein, wenn bei einer Schiefe des Pferdes ein Abweichen von der Geradeausrichtung verhindert werden muss."
Wilhelm Müseler, Reitlehre, S. 91
Leider gar keine echte Hilfe, wenn sich der geneigte Leser über die Parade bzw. die diagonalen Hilfen informieren möchte. Da war ich doch tatsächlich enttäuscht.
Zu guter Letzt wollen wir noch einen Blick in Horst Sterns "So verdient man sich die Sporen" werfen. In dem sehr humorvollen Buch schreibt er in seinem Vorwort, dass sich das Buch an Menschen richtet, die "Anfänger sind und sich wundern, warum sie es so lange bleiben - ihnen wird gesagt, was sie falsch machen". Das schürt die Erwartungen an klare Worte!
Leider bleibt auch hier eine genaue Definition aus. Aber dafür finde ich etwas anderes Schönes, auf das er großen Wert legt:
"[...] Und immer muss danach folgen: das Nachgeben in den Händen wenn die Parade "durchging". Und auch wenn sie nicht durchging: Dann ganz besonders. Es ist wie beim Bremsen im Auto: Man steigt nicht aufs Pedal [...] bis die Bremse blockiert. Man bremst dosiert: rauf ... runter ... rauf. Man kennt seine Bremsstrecke und richtet sich darauf ein. Beim Pferd ist es genau so: Ich weiß, was es kann. Ist es nicht so gut geritten, dass ich ihm das Halten aus dem Galopp mit einer einzigen Parade abfordern kann, dann pariere ich dosiert: annehmen ... nachgeben ... annehmen."
Horst Stern, So verdient man sich die Sporen, S. 131
So, zu Ende ist die literarische Reise. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie mich zum Ziel geführt hat ;) Allerdings könnte man es auch irgendwie so sehen: Viele Wege führen nach Rom, und, egal welchen man einschlägt, solange man diesen pferdegerecht lebt, wird das Pferd damit glücklich werden. Und das ist ja das, was wir wollen. Und was das Pferd will!
Eure
Alexa